Weifang

1. November 2014

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Der Tourplan ließ schon erahnen, dass der heutige Reisetag anstrengend wird. Nach einer einstündigen Busfahrt erreichten wir den Zhengzhou Xinzheng International Airport wo ein wahrhaftiges Wunder geschah. Unser reiseerprobter Cellist Jan Kunkel hat sein Instrument immer mit im Gepäck. Nun nimmt so ein Cello so viel Platz ein, dass man es wohlweislich weder im Gepäckfach, noch unter dem Sitz verstauen kann. Daher ist es üblich, dass das Instrument ein eigenes Ticket erhält. Das sorgt bei den meisten Fluggesellschaften für keinerlei Probleme, bei unserem Flug jedoch sorgte es für rege Diskussionen zwischen unserer Tourneebegleiterin Zou Ying und dem Bodenpersonal. Leider konnten wir den Wortlaut nicht genau verfolgen, die Tonlage ließ aber erahnen, dass es hier ordentlich zur Sache ging. Von der Beobachterposition aus konnten wir dann wieder unsere Sozialstudien fremder Kulturen fortsetzen. Während anfangs noch heftig gestritten wurde, verstummte die Dame am Schalter irgendwann und verschwand um ihre Vorgesetzte zu holen. Auch diese verstummte wiederum nach dreiminütiger Grundsatzdebatte. Wie uns nachher gesagt wurde ist das eine gern angewandte Kommunikationstechnik aus dem Baukasten der dialogorientieren Problemlösungen. Wenn man nicht mehr weiter weiß, schweigt man einfach und ignoriert den anderen um sein Gesicht zu wahren. Gerne hätten wir diesem Paradebeispiel noch weiter zugeschaut, allerdings rückte die Checkin-Zeit immer näher und dann geschah das Unfassbare. Die Damen schauten sich schweigend tief in die Augen, der Groll wich wie durch ein Wunder einem barmherzigen Lächen, der Ticketdrucker wurde angeschmissen und siehe da, ohne Probleme konnten wir Einchecken. Wie es dazu kam ist uns immer noch ein Rätsel. Glücklich, dass wir nun mit der kompletten Continuogruppe weiterreisen konnten, ging es dann mit dem Flugzeug nach Qingdao und von dort per Bus weiter nach Weifang. In Deutschland neigt man ja dazu, während längere Überlandfahrten beim seichten Auf und Ab des Busses schnell in den Schlummermodus zu verfallen, in China wird man dagegen hellwach. Vom ersten bis zum Letzten Kilometer kam der Transfer einer Achterbahnfahrt gleich. Da wurden auf der Autobahn wild hupend die Spuren gewechselt, gedrängelt und geschnitten während drinnen der ein oder andere die letzte Dinge im Kopf ordnete. Durchgeschüttelt und voller Adrenalin erreichten wir dann unser Hotel, wo wir nach einem gemeinsamen Essen erschöpft in die knochenharten Betten fielen.

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Zhengzhou

1. November 2014

Zhengzhou – das Düsseldorf Henans – gehört mit knapp acht Millionen Einwohnern in chinesischen Verhältnissen eher zu den mittelgroßen Städten. Die Ausmaße sind aber auch hier gigantisch. Binnen der letzten dreißig Jahre wurden hier riesige Betonwüsten aus dem Boden gestampft. Sechsspurige Straßen durchfurchen die Häuserschluchten und die Hochhäuser reihen sich wie Dominosteine aneinander. Hier ist wirklich nicht mehr von dem romantischen, ursprünglichen China geblieben. Die alten Hutongs wurden abgerissen und riesige Wohnsilos errichtet. Den Vormittag nutzten wir, um uns das Zhengzhou Museum anzuschauen. Hier werden Ausgrabungsfunde und Exponate aus der über 3000jährigen Geschichte der Region gezeigt und man bekommt einen Eindruck von den Errungenschaften der alten chinesischen Kultur. Schnell wurde aber klar, dass nicht die Gefäße und Vasen die Hauptattraktion vor Ort waren, sondern die deutsche Reisegruppe. Nach Zhengzhou verirren sich nur wenige Touristen, sodass der Anblick von „echten“ Europäern seltenheitswert genießt. Demzufolge wurden wir von ganzen Schulklassen umringt die anstatt die Ausstellungsstücke zu betrachten, lieber unsere Musiker von oben bis unten musterten und heimlich kichernd Fotos mit ihren Smartphones machten.

Wir nutzten dann gerne die Gelegenheit, diesem Trubel zu entfliehen und uns vor Ort noch eine Aufführung mit einem Orchester, was auf historischen Instrumenten gespielt hat, anzuhören. In einer zwanzigminütigen Show konnten wir hier in die Welt der „Alten chinesischen Musik“ eintauchen. Da gab es eine Guzheng, Bambusflöten, allerlei Trommeln und ein chinesisches Glockenspiel, das Bianzhong – wirklich ein spannendes Erlebnis. Abends waren wir dann wieder im Heenan Arts Center an der Reihe, die Chinesen mit der Alten Musik Europas in Berührung zu bringen.

Sicherheit in Peking

1. November 2014

Zeitgleich zu unserem Tourneestart fand in Peking eine große Ministerkonferenz statt. Kein Wunder also, dass an allen Ecken und Enden der Stadt Soldaten und Polizei patrouillierte und Kontrollen durchführte. Aber auch so wird hier großen Wert auf Sicherheit gelegt. An allen öffentlichen Orten, in U-Bahnhöfen und auch an ganz normalen Fußgängerunterführungen stehen Aufbauten, die man sonst nur von der Sicherheitskontrolle am Flughafen kennt. Will man also von A nach B in der Hauptstadt kommen, sollte man genügend Zeit einplanen um sich in die langen Reihen der Taschenkontrolle einzureihen. Besondere Aufmerksamkeit gilt hier vor allem den Feuerzeugen, die direkt aus Angst vor Anschlägen aus dem Verkehr gezogen werden. Schaut man in die Sammelboxen an den Kontrollstationen, sieht man, dass schon so mancher Tourist sein teures Zippo-Feuerzeug zurücklassen musste.

 

Heute hieß es dann wieder Abschied nehmen von Peking. Welch Dimensionen die 20-Millionen-Einwohner-Metropole hat wurde uns einmal mehr beim Betreten des Westbahnhofs bewusst. Riesige Hallen verbunden mit langen Korridoren führten uns dann zum Bereich, wo die Fernzüge abfuhren. Als Ausländer genossen wir den Vorzug, bereits eine halbe Stunde früher unsere Plätze im Hochgeschwindigkeitszug einzunehmen um uns nicht mit den teils schwerbepackten Chinesen ins Gedränge stürzen zu müssen. Die Fahrt zu unserer nächsten Tourneestation war wirklich beeindruckend. Mit über 300 km/h rast der Zug durch das chinesiche Flachland in Richtung Zhengzhou, sodass wir nach knapp 2,5 Stunden die Distanz von fast 700 km zurückgelegt haben. Angekommen in Zhengzhou, der Hauptstadt der Provinz Henan, hieß es auch hier erst einmal wieder auf die Zimmer und kurz frisch machen.

 

Anschließend wurden wir im 5-Sterne-Restaurant des Hotels zu einem ganz feinen Abendessen eingeladen. Für alle, die sich bislang wundern, warum noch nicht über die Verpflegung berichtet wurde, müssen sich noch etwas gedulden. Dieses Thema verdient einen eigenen Blogbeitrag.

China meets Bach No.1

1. November 2014

Es hält sich ja hartnäckig das Gerücht, dass Chinesen sich in Konzerten nicht benehmen können. Da wird geschwätzt, gegessen und telefoniert. Diese Vorurteile können wir in unserer groß angelegten Feldstudie noch nicht bestätigen, dafür haben wir allerdings andere spannende Beobachtungen gemacht, die wir Ihnen in den nächsten Tagen mit unserer Reihe „China meets Bach“vorstellen wollen.

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Kapitel eins widmet sich dem Thema „Smartphones im Konzert“. Kaum betreten die Musiker die Bühne, werden die Mobiltelefone gezückt und das Begleitprogramm zum Bühnengeschehen kann beginnen. Adrett gekleidete Platzanweiserinnen schwärmen mit dem ersten Ton aus, werden zu Wächtern über das Bild- und Tonrecht und bekämpfen die do-it-yourself-Tonmeister und Kameraleute im Auditorium. Bewaffnet mit einem Laserpointern markiert die Anführerin des Serviceteams gut getarnt in den hinteren Reihen die jeweiligen Übeltäter, sodass ihre Untergebenen sofort auf Stöckelschuhen zum Ort des Verbrechens eilen um die Täter auf frischer Tat zu ertappen und zu stellen. Man sollte nun meinen, dass ein gesetztes Exempel die anderen Gäste im Publikum abschrecken sollte – weit gefehlt. Kaum ist das Ordnungspersonal abgelenkt wittert schon der nächste Besucher im toten Winkel seine Chance und macht einen Schnappschuss. Und so zieht sich der vergebene Kampf über den ganzen Konzertabend – zugegebenweise ein wirklich lustiges Spiel!

Premiere in Peking

1. November 2014

Unser erster Konzerttag startete mit einem individuellen Programm für jeden. Die einen nutzten den freien Vormittag zum Ausschlafen, die anderen machten sich schon früh auf um die Stadt zu erkunden. Ein Ziel war der Lama-Tempel im Norden der Stadt, ein von tibetanischen Mönchen bewohntes Kloster wo schon früh am morgen die Weihrauchgefäße auf Hochtouren vor sich hin rauchten. Abends feierte dann unser Tourneeprogramm Premiere in der Forbidden City Concert Hall.

Der erste Probentag

1. November 2014

Sichtlich geplättet vom stressigen Anreisetag und dem allseits gefürchteten Jetlag hieß es nun erst einmal proben. Hierfür wurden wir in die Cafeteria der Forbidden City Music Hall gebracht um dort zum Brummen der Tiefkühltruhen Bach und Co. zu spielen. Wenig entspannt begann auch der Tag für unseren Cembalotransporteur. Cembali sind in China absolute Mangelware und werden als Luxusgüter gehandelt. Da kann ein Instrument im Vergleich zu Deutschland schon einmal locker das doppelte kosten. Sichtlich respektvoll gingen die Chinesen auch sehr vorsichtig mit  dem Cembalo um. Der urspüngliche Plan sah vor, dass das Leihinstrument bereits am Vorabend zum Aklimatisieren in die Konzerthalle gebracht werden  sollte. Was bei uns mit ein paar Handgriffen zu machen ist, stellte sich in der Forbidden City Concert Hall erst einmal als Mission impossible dar. Unserem Transporteur gelang es nicht, das Pfortenpersonal von seinem Vorhaben zu überzeugen und da er Anweisung hatte, das Instrument zu bewachen, musste er notgedrungen auf einer kleinen Matratze eingezwängt in seinem Führerhaus die ganze Nacht Wache schieben. Wie wir dann später erfahren haben ist das hier in China völlig normal und alles „kein Problem“.

 

Reise nach Peking

1. November 2014

Zwei Tage bevor es ins Reich der Mitte gehen sollte, erreichte uns die Nachricht, dass die Piloten der Lufthansa am Abreisetag die Kurz- und Mittelstreckenflüge bestreiken. Noch wähnten wir uns also in Sicherheit, bis dann 24 Stunden vor Abflug auch unser Langstreckenflug von Frankfurt nach Peking annulliert wurde. Leicht nervös wurden schon diverse Alternativen und Schreckensszenarien im Kopf durchgespielt, als uns nachmittags endlich der erlösende Anruf unseres Reisebüros erreichte: „Es fliegt noch eine Lufthansamaschine von München nach Peking am selben Tag“. Das war dann der Startschuss um sämtliche Anreisen umzubuchen und einen Zugtransfer von Köln nach München zu organisieren – so ein Orchester will ja auch erst einmal aus allen Himmelsrichtungen zusammengetrommelt werden. So ging es also nach einer sechsstündigen Bahnfahrt in einem übervollen Flieger (wir waren ja nicht die einzigen die unbedingt noch nach Peking wollten) mit Verspätung ab gen Asien.

Schon beim Landeanflug zeigten sich die Vorboten der Industrienation. Mit jedem Meter, den wir dem Erdboden näher kamen, wurde das Sonnenlicht von einer immer dichter werdenden Smogglocke verdrängt, bis wir dann im Nebel gelandet sind. Ein Blick auf die Smog-App bestätigte dann unsere Vermutung: Hazardous! Die Sonne ging aber alsbald wieder auf, als wir von unserer emsigen Tourbegleiterin Zou Ying am Flughafen in Empfang genommen wurden.

Blog 1

Angekommen in unserem Hotel ging es dann erst einmal an die Zimmerverteilung. Wie auch bei uns in Deutschland ist es ja immer so eine Sache mit den Gruppenanreisen, die oft nicht so ganz im Verhältnis zur Anzahl der bezugsfertigen Zimmer stehen. Glück im Unglück: ein Upgrade verschaffte uns dann drei zusätzliche Suiten mit Whirlpool, traditionellen Reismatten und anderen Spielereien. Den freien Nachmittag nutzten wir dann für erste Erkundungsstreifzüge durch die Stadt und um die langen Einkaufslisten von B wie Brille bis S wie Schuhe abzuarbeiten.

Liebe Lesergemeinde!

28. Oktober 2014

Wir hatten ja versprochen unsere Freunde und Fans daheim ständig und tagesaktuell auf dem Laufenden zu halten. Leider ist es uns allerdings erst in China so recht bewusst geworden, dass hier sämtliche Social Media Portale wie Facebook und WordPress zensiert sind. Daher kommen die Beiträge nun mit etwas Verspätung per Fernwartung über unser heimisches Büro in Köln zu Ihnen nach Hause. Also keine Angst, auch wenn Sie bislang noch nichts von unserer Chinatournee gehört haben: Wir leben noch!!!!

Ein wenig Schwierigkeiten haben wir noch mit der Überlieferung der Photos, aber auch hieran arbeiten wir noch, um Ihnen auch mehr visuelle Eindrücke übermitteln zu können.

live ist live

28. Juni 2014

Mit einem „fulminanten Abend“ – so titelt die Presse – haben wir gestern das RheinVokal-Festival zusammen mit Valer Sabadus in der Abtei Rommersdorf (Neuwied) eröffnet. Auch wenn der Schreiber dieses Artikels in Doppelfunktion als Betreuer des Orchesters und RheinVokal-Inspizient nicht ganz unbefangen ist, muss man der Presse recht geben. Es war ein beeindruckender und in vielerlei Hinsicht auch unvergesslicher Festivalauftakt.

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Bei RheinVokal ist es mittlerweile Tradition, dass der SWR eine Vielzahl der Konzerte mitschneidet. Besondere Saisonhighlights werden im SWR2-Abendkonzert live übertragen, so auch unser gestriges Programm „Händel in England“. Solch eine Live-Sendung im Radio ist immer wieder eine spannende Angelegenheit für alle Beteiligten. Egal ob Tonmeister, Moderator oder Interpret, überall herrscht Höchstkonzentration und Nervenkitzel liegt in der Luft – man hat eben nur eine Chance!

Radio

Neben Concerto Köln und Valer Sabadus verschaffte sich gestern allerdings noch eine dritte Protagonistin Gehör: Mutter Natur. Auch sie hat mitgespielt, und zwar so heftig mit Blitz, Donner und Wolkenbruch, dass in der zweiten Konzerthälfte sogar das Satellitensignal des Übertragungswagens abriss – schade für die Hörer am heimischen Radio, umso spannender für das Publikum im Konzertsaal, als die Blitze in der sowieso schon stimmungsvoll erleuchteten Abteiruine passend zur elektrisierenden Musik durch die gotischen Chorfenster zuckten – live ist eben immer noch live. (Michael Rathmann)